Europäische Urheberrechtsreform: „Eine Ablehnung des gesamten Pakets ist die richtige Lösung“

Am Mittwoch haben sich Vertreter des EU-Parlaments und der EU-Mitgliedstaaten auf den finalen Text für eine Reform des europäischen Urheberrechts geeinigt. Dessen aktueller Stand ist im Wesentlichen aus dem Jahr 2001. Seither ist medientechnologisch und -praktisch viel passiert. Eine Reform ist überfällig.

Die Reform war bei Julia Reda in besten Händen. Sie ist MEP der Piratenpartei, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion Grüne/EFA und Mitglied im Rechtsausschuss, der sie Anfang November 2014 zur Berichterstatterin für die Evaluation der Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie von 2001 bestimmte. Im Januar 2015 legte Reda ihren Berichtsentwurf vor. Im Juni 2015 stimmte der Rechtsausschuss des EP dem geänderten Bericht fast einstimmig zu. Darin wandte sich der Ausschuss gegen ein europäisches Presse-Leistungsschutzrecht, lehnte jedoch eine EU-weite Panoramafreiheit und ein erweitertes Zitatrecht für Bilder und Videos ab.

Die eigentliche Urheberrechtsreform begann, als der damalige EU-Digitalkommisar Günther Oettinger im September 2016, kurz bevor er seinen Posten an seinen Vize, Andrus Ansip, abgab, einen Entwurf für eine Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt vorlegte. Er enthielt die bis heute umstrittensten Regelungen zum Presse-Leistungsschutzrecht (Artikel 11) und zur Haftung von Sites für die Uploads ihrer Nutzer (Artikel 13). Der Rat stimmte dem Entwurf ohne nennenswerte Änderungen zu. Berichterstatterin des EP-Rechtsausschusses dazu war zunächst Therese Comodini Cachia (EPP, Malta). In ihrem Berichtsentwurf vom März 2017 schlug sie zahlreiche Änderungen des Kommissionssentwurfs vor, darunter deutliche Entschärfungen der Artikel 11 und 13. Im Sommer 2017 verließ Comodini das EP. Die Rolle des Berichterstatters übernahm Axel Voss (EPP, DE). Der setzt sich vehement für Upload-Filter und Presseleistungsschutzrecht ein und führte den Rechtsausschuss zu einer Zustimmung mit minimalen Änderungen. Julia Reda, jetzt als Schattenberichterstatterin für Grüne/EFA, hatte noch einen Kompromisvorschlag eingegebracht, vergeblich.

Nach viereinhalb Jahren und Tausenden Änderungen ist aus den Konsultationen und Verhandlungen, zuletzt im Trilog von Kommission, Parlament und Rat, wenig Gutes herausgekommen. Immerhin soll es kein Reproduktionsurheberrecht für gemeinfreie Werke geben, und Bibliotheken dürfen vergriffene Werke bereitstellen. Die in datengesteuerten Zeiten so wichtige Möglichkeit zum Text- und Data-Mining ist jedoch stark beschränkt. Panoramafreiheit und Remix-Recht sind, wie gesagt, schon im Vorfeld rausgeflogen. Selbst das Recht der Urheber auf angemessene Vergütung ist soweit verwässert, dass es Total-Buyout-Verträge weiter zulässt. Und die beiden umstrittensten Bestimmungen haben die schlechtest mögliche Form angenommen: Artikel 13, die Haftung von Sites für die Uploads ihrer Nutzer, die zu Upload-Filtern führt, sowie das – bereits in Deutschland und Spanien gescheiterte (s. Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL)) – Presse-Leistungsschutzrecht in Artikel 11.

Mit der Einigung vom Mittwoch enden die Trilog-Verhandlungen. Nun müssen sowohl der Rat wie das Parlament abschließend über das Ergebnis abstimmen. Dass die EU-Mitgliedsstaaten es ablehnen, ist unwahrscheinlich. Das EU-Parlament hat jedoch bereits bewiesen, dass es Mehrheiten gegen schlechte Urheberrechtsentscheidungen findet. Seine Plenarabstimmung, die für zwischen Ende März und Mitte April 2019 erwartet wird, ist also die letzte, aber auch eine realistische Chance, die Richtlinie zu stoppen oder zumindest die Artikel 11 und 13 zu streichen.

Zeit also, die Aktionen zu einem große Finale zu steigern:

Hier mein Beitrag auf Deutschlandfunk von gestern morgen:

„Eine Ablehnung des gesamten Pakets ist die richtige Lösung“, Gespräch mit Christine Heuer im Deutschlandfunk, Informationen am Morgen am 15.02.2019 um 8:22 Uhr: Transkript des Gesprächs.

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